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Juristentag diskutiert über Krieg und Völkerrecht

Rechtliche und ethische Perspektiven

 

Schwerte (pdp). Seit Russlands Angriff auf die Ukraine erfährt das Völkerrecht eine besondere Aufmerksamkeit. Hat das internationale Recht dem vermeintlichen Recht des Stärkeren überhaupt etwas Wirksames entgegenzusetzen? Um diese Frage ging es am Montag beim 16. Juristentag im Erzbistum Paderborn in der Katholischen Akademie Schwerte. 

Die Antwort auf die Ausgangsfrage beantworteten die Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen juristischen und ethischen Fachgebieten mit einem Ja. »Dazu braucht es allerdings einen langen Atem«, meinte Norbert Koster, der unter anderem von 2005 bis 2011 als Internationaler Richter für die Vereinten Nationen und die Europäische Union im Kosovo tätig war. Er nannte auch Beispiele von Verfahren, die zuvor nicht für möglich gehalten wurden, wie gegen Slobodan Milošević (Jugoslawien) oder Omar al-Baschir (Sudan). Daher sei es wichtig, dass im aktuellen Krieg in der Ukraine Beweise gesammelt und gesichert würden. 

Zu Beginn der Tagung in Schwerte hatte der Paderborner Diözesanadministrator Monsignore Dr. Michael Bredeck die über 100 Teilnehmenden begrüßt. »Nach den großen und verlustreichen Kriegen des 20. Jahrhunderts hatten viele gehofft, dass die Menschheit zur Besinnung kommen und dem Frieden dauerhaft den Vorzug geben würde«, sagte Monsignore Dr. Michael Bredeck. Nun jedoch treibe der eklatante Bruch des Völkerrechts durch die Regierung der Russischen Föderation, aber auch die Sorge um eine unkontrollierte Ausweitung der Auseinandersetzungen, Menschen auf der ganzen Welt um. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, aber auch zahlreicher anderer Kriege und Konflikte weltweit zeige sich somit einmal mehr, dass internationales Recht nicht nur gesetzt, sondern auch durchgesetzt werden muss, wenn es Wirksamkeit entfalten solle. 

Einig waren sich die Teilnehmenden darüber, dass das heute völkerrechtlich verbindente grundsätzliche Gewaltverbot einen erheblichen zivilisatorischen Fortschritt darstelle. Die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag sei ein weiterer wichtiger Schritt gewesen. Es bestehe die Hoffnung, dass die Verbrechen im Ukraine-Krieg und möglicherweise auch die Aggression des Kriegs selbst, einmal geahndet würden. 

Es gehe dabei auch darum, den Opfern eine Stimme zu geben und ihre Rechte zu stärken, erklärte Dr. Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, in einer Rede, die von Gudrun Schäpers, der Präsidentin des Oberlandesgerichts Hamm, vorgetragen wurde. Minister Limbach hatte seine Teilnahme in Schwerte kurzfristig absagen müssen. 

Die Vorstellung eines »gerechten Krieges« gebe es im aktuellen Völkerrecht nicht mehr, erläuterte Prof. Dr. Adelheid Puttler vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht insbesondere Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht an der Ruhr-Universität Bochum. Das Völkerrecht sehe nur noch zwei Rechtfertigungsgründe für einen Krieg vor, die individuelle sowie die kollektive Selbstverteidigung und eine Ermächtigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Darin sieht Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Leitender Direktor des Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg, auch Bemühungen der Katholischen Kirche für eine internationale Rechtsordnung zur Überwindung des Krieges durch internationales Recht bestätigt. Es brauche aber eine Weiterentwicklung der internationalen Rechtsordnung, die sich an den Menschenrechten orientiere. »Die Instrumente zur Sicherung der Menschenrechte sind unvollkommen, aber es gibt sie«, meinte Professor Justenhoven. 

In der abschließenden Diskussion ging es unter anderem darum, wie nach einem Regimewechsel und einem Ende des Krieges Staaten und Gesellschaften wieder zusammenfinden können. Daraus ergebe sich ein Spannungsfeld zwischen Frieden und der Forderung nach Gerechtigkeit.